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Ein böser Streich in Dilsbergs Schule Von Ferdinand Hefemer |
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Es war im am Morgen des 4.Februar 1953, als Karl Meitner von einer alt eingesessenen Rainbacher Familie, sich auf den Weg zur Schule. Er war dreizehn Jahre alt und immer zu irgendeiner Spitzbüberei bereit, vor allem wenn es darum ging, den Flüchtlingskindern zu zeigen, wer in Dilsberg und in der Rainbach das Sagen hatte. An diesem Morgen sollten allerdings die Flüchtlingskinder einmal die Oberhand gewinnen. Karl schleppte sich mühsam den steilen Berg zur „Höheren Schule“ hoch. Vermutlich hatte er nicht mehr viel Zeit. Nur wusste er nicht genau wieviel Uhr es war. Eine Uhr sollte er erst zur Konfirmation von seinem Patenonkel geschenkt bekommen. Da fiel im plötzlich ein, dass er ja heute den Ofendienst im Klassenzimmer zu versehen hatte. Er beschleunigte seine Schritte und ließ die anderen Rainbacher Schulkameraden hinter sich. |
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Karl trat ohne ein Wort zu sagen aus der Bank und lief sofort zum Ofen. Tatsächlich war das Feuer wieder ausgegangen. Er nahm ein Streichholz und zündete das Papier erneut an. Dann eilte er wieder in seine Bank. Die Klassenkameraden und -kameradinnen standen immer noch und warteten auf das Morgengebet, das Lehrer Strengler eher missmutig vorlas. Man merkte ihm an, dass er diese religiöse Übung eher lästig fand. |
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Gerade wie er das „Amen“ sprach, tat es hinter ihm einen lauten Knall. Der Ofendeckel hob sich ein Stück weit in die Luft und krachte dann wieder auf den Ofen zurück. Offensichtlich hatte irgendjemand einen Kracher in den Ofen gepackt. Alle erschraken fürchterlich. Lehrer Strengler war vor Schreck in die Knie gegangen und hatte sich instinktiv zusammengekauert. Die Mädchen waren zum Teil aufgesprungen. Manche der Buben waren unter die Bank geflüchtet. Und Karl stand fassungslos im Gang zwischen den Bänken. Es trat eine unheimliche Stille ein. Langsam richtete sich Strengler wieder auf, holte tief Luft und brüllte: „Wer war das?“ denn er hatte die Situation sofort erkannt: Hier wollte ihm jemand einen Streich spielen. In das anschließende große Schweigen hinein brüllte Strengler weiter: „Ich will wissen wer das war?“ Als er auch darauf keine Antwort kam, hieß es nur noch: „Karl, komm her!“ Mit eingezogenem Genick schlich Karl nach vorne. Dabei fiel ihm blitzartig ein, wer vermutlich ihm und jetzt auch dem Strengler diesen Streich gespielt hatte: Der Fritz Karasek, der Flüchtlingsjunge der mit seiner Familie in der Unteren Straße bei den Müllers wohnte. Den hatte Karl vor einigen Tagen erwischt, wie er im Meitnerschen Garten unterhalb der Feste Rosenkohl „ernten“ wollte. Karl hatte ihn mit einer Schaufel Dreck aus dem Garten gejagt worauf Fritz ihm mit den Worten drohte: „Na warte - Rache ist süß“. Und dann fiel Karl noch ein, dass Fritz im Pausenhof damit geprahlt hatte, dass er an Silvester vom amerikanischen Freund seiner großen Schwester Feuerwerkskörper geschenkt bekommen hätte. Die Mitschüler saßen regungslos in den Bänken. Kein Ton war zu hören. Und so schnappte sich Lehrer Strengler Karls rechtes Ohr und zog ihn daran in die Höhe: „Du hattest heute Ofendienst. Du bist verantwortlich. Daher wirst Du bestraft, wenn niemand anderes diese Freveltat zugibt.“ Karl flüsterte nur noch mit gequälter Stimme; „Ich war’s wirklich nicht Herr Strengler. Wie ich kam, war der Ofen schon hergerichtet.“ |
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Karl wollte es lautlos über sich ergehen lassen, aber Strengler schlug so heftig zu, dass er seine Schmerzensschreie nicht mehr unterdrücken konnte. „So und dazu schreibst du mir noch hundert Mal das Rosenkranzgebet auf und versiehst den ganzen nächsten Monat den Ofendienst.“ Mit diesen Worten schickte Strengler Karl in die Bank zurück. Schluchzend seufzte dieser halblaut noch: „Das ist aber ungerecht“. Aber das hörte Strengler schon nicht mehr. Er befahl die Schreibhefte aus dem Pult zu nehmen, er wollte sich jetzt mit einem Diktat an der Klasse rächen. In der Pause bildeten sich sofort zwei Gruppen auf dem Schulhof: Auf der einen Seite standen die Ur-Dilsberger und Rainbacher und auf der anderen Seite die Flüchtlingskinder. Eigentlich hatte niemand Verständnis für die Ungerechtigkeit, die Karl ertragen musste. „Wenn Du ein Kerl bist, Fritz, dann gibst du es zu, dass Du den Kracher in den Ofen gesteckt hast,“ tönte es aus der Gruppe der Einheimischen. Die Flüchtlingskinder schwiegen aber beharrlich. Sie hatten den Schuldigen unter ihnen schon ausgemacht, aber sie wollten ihren Fritz nicht verraten. Viele Jahre später, als die in Dilsberg ansässigen Flüchtlinge und Vertriebenen weitgehend akzeptiert und integriert waren, heiratete Karl Meitner Elisabeth Karasek, die jüngere Schwester von Fritz. Sie feierten in großer Runde im Saal der Sonne. Gegen Mitternacht soll es dann doch beinahe zu einer Schlägerei zwischen dem Bräutigam und seinem Schwager gekommen sein. |
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Text: Ferdinand Hefemer Bilder: privat, Herkunft unbekannt 29.03.2020 |
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